Unsere Utopien
24.07. — 29.07.2016
Der europäische Kontinent wird auch gerne als das „alte Europa“ bezeichnet, mit viel Vergangenheit und Geschichte, die ihn oft schwerfällig in die Zukunft blicken lassen. Dagegen ist der ursprüngliche Grundgedanke der Europäischen Union durchaus visionär: aus der geschichtlichen Erkenntnis heraus, dass totalitäre Ideologien und Kriege für immer zu bannen seien, wurde ein vereintes Europa mit einem mannigfachen Beziehungsgeflecht. Heute, wo dieses Europa vielen Zerreißproben ausgesetzt ist, gilt es umso mehr zu fragen: Wo sind unsere gegenwärtigen Utopien? Wie können wir angesichts der vielen neuen Herausforderungen menschlich gewinnen? Welche Chancen bieten die Veränderungen? Welche Visionen benötigt Europa? Wie und worüber kann ein konstruktives „Wir“ entwickelt werden? Wie auch zur Ersten Summer School Südtirol werden wir dazu Autor*innen, Künstler*innen, Theoretiker*innen, Wissenschaftlerinnen und Menschenrechtsaktivist*innen zusammenbringen, um zusammen mit der Öffentlichkeit unsere eigenen Utopien zu erforschen.
Programm
24.07.2016
Welche Visionen standen am Beginn der Europäischen Gemeinschaft? Wo stehen wir heute?
Eröffnung
Die Utopie eines vereinten Europa kann nur in Verbindung mit seiner dunklen Geschichte ermessen werden. Mit den Kämpfen, den Kriegen, mit der Gewalt, mit dem Kolonialismus, dem Faschismus und dem Nationalsozialismus. Jedes einzelne Land hat seinen hohen Preis für das „europäische Land der Freiheit, der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit“ bezahlt. Einen der höchsten Preise fordert die Politik der Abschottung.
Wo stehen wir heute? Ist der Traum ausgeträumt — oder stehen wir erst jetzt am wahren Beginn, dort, wo die Bevölkerung gefragt ist, ob sie ihn will — und bereit ist, für ihn zu kämpfen?
MitBegrüßungsworte von Leo Andergassen, Direktor des Südtiroler Landesmuseums für Kultur und Landesgeschichte auf Schloss Tirol.
Eröffnungsrede von Maxi Obexer
In Visionen Denken, danach vortrag von Matteo Moretti Was passiert, wenn der europäische Traum auf die Träume der Migranten trifft?
Schloss Velthurns Dorfstr. 1, Feldthurns
Uhr18 Uhr
25.07.2016
Wem gehört Europa?
Wem gehörte es bisher?
Wem sollte es gehören?
Über die Bedeutung Europas für Minderheiten, Migrantinnen und Marginalisierte innerhalb nationalstaatlicher Hegemonien.
MitÖffentliche Gesprächsrunde mit: Philipp Achammer, Nivedita Prasad, Sasha Marianna Salzmann, Adnan Softic
OrtSchloss Velthurns Dorfstr. 1, Feldthurns
Uhr18 Uhr
Lesung Bioweingut Radoarhof
Lesung
Adnan Softic:
Eine bessere Geschichte. Der utopische Staat
Sivan Ben Yishai:
Deine eigene doppelte Krise. Die dystopische Stadt
Radoarhof
Uhr21 Uhr
26.07.2016
Was, wenn mein Staat nicht menschlich ist?
Wenn die Politik versagt, Asylgesetze sich verschärfen, die Bürokratie über die Menschlichkeit regiert, Rechtspopulisten nach noch mehr Staat und Kontrolle rufen, und die universellen Rechte ins Abseits gelangen: Über die Bedeutung der Zivilbevölkerung.
MitErfahrungen und Berichte von Michael Genner, Menschenrechtsaktivist und Autor des Buches Verleitung zum Aufstand
Natalie Assmann, Aktivistin und Kulturschaffende, Begründerin von
Die Schweigende Mehrheit sagt: Ja!.
Von welcher Gesellschaft träumen Menschenrechtsaktivistinnen? Mit Ulrike Syha
Moderiert vonVeronika Springmann
Lesung Bioweingut Radoarhof
Lesung
Natalie Assmann
Grenzprotokolle
Ulrike Syha
Burning und Radikale
Radoarhof
Uhr21
27.07.2016
Utopie und Gegenwart
Literarische Utopien und Raum. Vergil, Thomas Morus und Bruno Taut.
Utopien sind mit der Vorstellung und mit der Veränderung von Raum verknüpft. So in der Aeneis von Vergil, in Utopia, der staatsphilosophischen Schrift von Thomas Morus, aber auch in Bruno Tauts Alpine Architektur. Indem dramatische Texte im Raum agieren, entfalten sich ihre utopische Kraft im gegenwärtigen Raum.
Bürokratie: bereits in der Gegenwart.
Wie sehr beherrschen Regeln und Bürokratien unser Leben?
Ist die Bürokratie ein Mittel zu mehr Effizienz und Transparenz?
Oder ist es ein wirkungsvolles Mittel zur Ausübung von Gewalt?
Vortrag vonCorinne Diserens in Anlehnung an das Buch von David Graeber: The utopia of rules.
Anschließend Gespräch mitCorinne Diserens, Toni Bernhart, und Maxi Obexer
OrtSchloss Velthurns Dorfstr. 1, Feldthurns
Uhr18 Uhr
Lesung und Performance Bioweingut Radoarhof
Lesung und Performance
Sasha Marianna Salzmann und Tucké Royale: Der utopische Körper
OrtRadoarhof
Uhr21 Uhr
28.07.2016
Utopie Natur: Wovon träumen Biobauern?
Wer kennt es nicht: das Unbehangen angesichts des grausamen Umgangs mit den Tieren in der Massentierhaltung, der Vernichtung von pflanzlicher Vielfalt durch den Einsatz von Pestiziden, der Verödung unserer Umwelt durch genmanipultieres Saatgut, jaucheverseuchter Wiesen, sterbender Bienenvölker, und einem immer größeren Produktionsdruck, der auf den Bauern lastet. Die Proteste mehren sich, so auch gegen den Einsatz von Glyphosat, dem weltweit am häufigsten eingesetzten Pestizid, dem krebserregende Stoffe nachgewiesen wurden. Gibt es ein Zurück zur Natur und zu einem neuen Verständnis ihrer Nutzbarmachung?
MitUlrich Veith, Bürgermeister von Mals, Umweltaktivist, Norbert Blasbichler, biologischer Landwirt und Alexander Agethle, Landwirt und Betreiber einer Käserei
OrtSchloss Velthurns Dorfstr. 1, Feldthurns
Uhr18
Lesung Bioweingut Radoarhof
Lesung
Maxi Obexer: Unter Tieren, Fra gli animali
OrtRadoarhof
Uhr21
29.07.2016
Welche Angst? Welche Krise? Welche Grenze?
Open end
Wie sehr bestimmen Begriffe unsere Sicht auf die Gegenwart? Wie sehr bestimmen sie uns?
Mit: Welche krise welche angst welche grenze, laden wir dazu ein, Begriffe, die zur Zeit allgegenwärtig sind und beinahe wie eine Naturgewalt unsere Sicht auf die Gegenwart prägen, neu zu untersuchen.
Welche krise, welche angst, welche grenze ist eine Plattform, in der wir nach neuen, nach besseren Vorstellungen und Visionen suchten, nach Perspektiven für ein Europa nicht nur der Krise, sondern für ein Europa der Gestaltbarkeit. Die Texte, die seither eingingen, wurden auf www.utopiaeuropa.info veröffentlicht. In einem Lesemarathon bei Lungomare in Bozen können sie von jedem einzelnen Telnehmenden vorgetragen oder performt werden.
MitMit allen Referentinnen, Gästen und Autorinnen und Autoren der Summer School 2016. U.a. mit Gerhard Ruiss, Catherine Perret, Beatrice Catanzaro, Stefano Zangrando, Irene Kacandes, Adnan Softic, Ulrike Syha, Toni Bernhart, Sivan Ben Yishai uva.
OrtLungomare Bozen
Uhr18 Uhr
Biografien
Philipp Achammer
Philip Achammer ist Obmann der Südtiroler Volkspartei und Landesrat für Deutsche Bildung und Kultur.
Alexander Agethle
Alexander Agethle bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb und betreibt eine eigene Hofkäserei in Mals im Vinschgau. Sein Käse hat bereits zahlreiche Preise gewonnen. Gegründet hat er 2009 die Initiative Adam und Epfl, die sich für eine nachhaltige Entwicklung des oberen Vinschgaus einsetzt. Zu diesem Thema hält er Vorträge und hat außerdem 2015 das Kulturprojekt Paradies Festival Obervinschgau geleitet.
Norbert Blasbichler
Norbert Blasbichler bewirtschaftet den Radoarhof in Feldthurns, den er 1996 auf biologischen Landbau umgestellt hat. Sein Betrieb umfasst Mutterkuhhaltung, Weinbau und Obstbau. Er verarbeitet und vermarktet seine Produkte selbst. Mitbegründet hat er den Eisacktaler Keschtnweg und ist Vorsitzender des Vereines Leben am Keschtnweg.
Maxi Obexer
Maxi Obexer ist Autorin von Theaterstücken, Hörspielen, Essays und Prosa, darunter: Die Liebenden, das Geisterschiff, Gletscher, sowie der Roman: Wenn gefährliche Hunde lachen. Zu ihren meist politischen Arbeiten zählt auch ihr jüngstes Theaterstück Illegale Helfer, das in Österreich und Deutschland inszeniert wurde. Als Gastprofessorin lehrte sie u.a. am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Georgetown Universität in Washington. 2014 gründete sie zusammen mit Sasha Marianna Salzmann das Neue Institut für Dramatisches Schreiben – NIDS.
Matteo Moretti
Matteo Moretti ist Designer und Mitbegründer von Europadreaming. Er arbeitet an der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen, wo er die online-Plattform visualjournalism.unibz. it ins Leben rief. Er wurde mit dem Journalismus –Award im Jahr 2015 und mit dem European Design Award im Jahr 2016 ausgezeichnet.
Nivedita Prasad
Nivedita Prasad ist Professorin für Soziale Arbeit und Menschenrechte an der Alice- Salomon-Hochschule Berlin. Sie engagiert sich für die Situation von Menschen, die „kein Recht auf Rechte haben“ und gegen die Gewalt gegen Frauen (mit und ohne Migrationshintergrund). 2012 wurde sie für ihr Engagement mit dem Anne-Klein-Preis der Heinrich-Boell-Stiftung ausgezeichnet.
Sasha Marianna Salzmann
Sasha Marianna Salzmann Autorin und Kuratorin. Sie studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin und schrieb u.a. die Stücke Weißbrotmusik, Muttermale Fenster blau und Muttersprache Mameloschn, wofür sie 2013 den Publikumspreis an den Mühlheimer Theatertagen erhielt. Sie war bis 2015 künstlerische Leiterin des StudioR und ist Hausautorin am Maxim Gorki Theater, Berlin.
Adnan Softic
ist Bildender Künstler, Autor und Regisseur. Er studierte Philosophie und Politologie an der Humboldt Universität zu Berlin und anschließend Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Als Gastprofessor, Studienschwerpunkt Film, lehrt er an der HfbK in Hamburg. 2016 Stipendiat der Villa Massimo in Rom.
Sivan Ben Yishai
Sivan Ben Yishai ist Autorin und Regisseurin. Sie lebt seit drei Jahren in Berlin. Sie studierte Theaterregie sowie theatrales Schreiben an der Universität Tel Aviv, wo sie bis zu ihrem Wechsel nach Berlin zahlreiche Theaterproduktionen und Performances entwickelt hat. In Berlin betreibt
sie eine Schule für Improvisation.
Natalie Ananda Assmann
Natalie Ananda Assmann ist Aktivistin, Schauspielerin und Kulturschaffende. Mit Bernhart Dechant gründete sie 2015 die Initiative Die Schweigende Mehrheit sagt: Ja!. In Welcomeoida setzt sie sich für die Fortsetzung der Erinnerungskultur ein.
Michael Genner
Michael Genner ist Autor, Aktivist und Rechtsberater für Asylbewerber. Er begann seine politische Arbeit in der Studentenbewegung 1968 und war Vorstandsmitglied von Spartakus (1970 - 1972). Er ist Autor des 2012 erschienenen Buches: Verleitung zum Aufstand. Ein Versuch über Widerstand und Antirassismus.
Ulrike Syha
Ulrike Syha arbeitet als freie Autorin und Übersetzerin von Dramatik in Hamburg. Sie war Stipendiatin der Akademie Schloss Solitude, des Literarischen Colloquiums in Berlin, der Deutschen Akademie Rom (Casa Baldi) und des Hessischen Literaturrats (Aufenthaltsstipendium Litauen). Ausgezeichnet wurde sie u.a. mit dem Kleist- Förderpreis für Junge Dramatiker. Ihre Stücke wurden mehrfach zu den Mühlheimer Dramatikertagen eingeladen. Außerdem ist sie seit 2014 Koordinatorin des Deutschsprachigen Komitees von EURODRAM.
Veronika Springmann
Veronika Springmann ist Historikerin und Sportwissenschaftlerin. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen in der Geschichte des Nationalsozialismus und der Geschichte der Gewalt.
Toni Bernhart
Toni Bernhart ist Literaturwissenschaftler und Theaterautor. Er lebt in Berlin und Stuttgart und leitet derzeit das Forschungsprojekt Quantitative Literaturwissenschaft am Institut für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart. Im November 2016 wird seine Dramatisierung der Aeneis nach Vergil im Rahmen des 5. Freien Theaterfestivals in Innsbruck uraufgeführt.
Corinne Diserens FR
Corinne Diserens studierte Kunst- und Filmgeschichte an der Sorbonne in Paris und am Independent Study Program des Whitney Museum of American Art in New York. Sie war u.a. Kuratorin der 5. Internationalen Biennale von Tirana, Albanien, und kuratiert derzeit die Biennale in Taipeh.
Tucké Royale
Tucké Royale ist Performer und Autor. Seit 2012 ist Royale Bandmitglied bei Hans Unstern und Ghostwriter für den Lyrikband HANKY PANKY KNOW HOW (Merve Verlag). Mit dem Performance- Kollektiv Talking Straight erarbeitete Royale die Produktionen Europe – Garden of Delights, Aussöhnen mit Deutschland II 2015 gründete er den Zentralrat der Asozialen in Deutschland. In der jüngsten Produktion steht er zusammen mit Hans Unstern und Black Cracker als BOIBAND auf der Bühne.
Martin Santner IT
Chefredakteur von 39Null, Magazin für Gesellschaft und Kultur
Greta Pichler IT
Studiert Philosophie und Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Veröffentlichungen zuletzt im literarischen Übersetzungsprojekt „lyrischer Wille“ und in „wo waren wir? ach ja: Junge österreichische Gegenwartslyrik“, seit 2016 Mitglied des Künstlerkollektivs Textkörper, seit 2018 Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift JENNY. Kuratiert 2020 drei Ausstellungen in der Literaturpassage des Museumsquartiers in Wien.
Anah Filou AT
Lebt in Wien, hat Philosophie, Kunstwissenschaft und an der Akademie der bildenden Künste Wien, Klasse für Performative Kunst, studiert. War Teilnehmerin am Lehrgang FORUM Text 2016 – 2018 bei DRAMA FORUM von uniT in Graz. Eingeladen unter anderem zum Dramatiker*innenfestival Graz 2018 und Lit.Fest Stuttgart 2018. Mit dem Text „Das Wunder von Sole“ ist sie für den Retzhofer Dramapreis 2019 nominiert.
Partner
Projekt von
Literatur Lana
Lungomare
Neuen Institut für dramatisches Schreiben (NIDS)